Ein Schauplatz, ist, wörtlich genommen, ein Ort, auf den sich die Blicke richten, laut Duden ein „Platz, Ort, an dem sich etwas ereignet, an dem etwas passiert.“

Das OEuvre des Malers Jost Heyder eröffnet Blicke auf Schauplätze aus vielen Perspektiven.

Das Wort Schauplatz selbst verdankt die deutsche Sprache Martin Luther, der bei der Übersetzung der Bibel für das altgriechische „théatron“ diesen neuen Begriff prägte, um eine allgemein-ere Sinnebene jenseits der konkreten Ortsbezeichnung „Schauspielhaus / Theater“ zum Ausdruck bringen zu können. Doch gerade in Literatur und Bildender Kunst schwingt eine solche Vorstellung vom Schauplatz als Bühne immer mit. Seit der Antike begegnet uns der Begriff in dieser Bedeutung als gängiger Topos, als Sinnbild, das Welt und Leben als flüchtige Inszenierung auf einer vergänglichen Bühne umschreibt und damit den Schauplatz zum Theater

    oder zur Manege macht. Wenn es bei Shakespeare heißt „Die ganze Welt ist Bühne, und alle Fraun und Männer bloße Spieler … „ (As You Like It, Akt 2, Szene 7), dann greift er auf die aus dem Altertum überlieferte Metapher vom Welttheater zurück, die sich über Augustinus, die Dichtung in Renaissance und Barock – vor allem Calderon de la Barca mit seinem Mysterienspiel vom großen Welttheater – bis ins 19. und 20. Jahrhundert fortgesetzt hat. Auch Werner Tübkes großes Bauernkriegspanorama bei Mühlhausen (fertigstellt 1987) steht in dieser Tradition. Für das neue Gewandhaus in Leipzig schuf Wolfgang Peuker 1979 ein großes Welttheater (das allerdings nie gezeigt, sondern verbrettert, übermalt und durch den „Gesang vom Leben“ von Sieghard Gille ersetzt wurde). Und als mechanisches Miniaturtheater ebenso wie als Darbietung wandernder Marionettenspieler war noch im 19. und frühen 20. Jahrhundert das „Theatrummundi“ ein populäres Unterhaltungsgenre, kinogeschichtlich Vorläufer der Filmwochenschau auf der Puppentheaterszene, denn die Stoffe waren vornehmlich aktuelle Zeitereignisse.

    Bis heute hat die Metapher eine Bedeutung in Literatur, Musik und Bildender Kunst und wir kennen Epochen, in denen sie in besonders hoher Konjunktur stand, wie das Rokoko und das frühe 20. Jahrhundert. Bis sie dort, zum Beispiel bei Pablo Picasso und Max Beckmann vorkommt, hat sich allerdings ein deutlicher Wandel im Hinblick auf ihre Sinndeutung vollzogen.

    Was jahrhundertelang als Sinnbild der Vanitas, als mahnende und warnende Botschaft von der Eitelkeit und Nichtigkeit der Welt gegolten hatte, wird in der Neuzeit zum Gleichnis der Künstlerexistenz und zum Bekenntnis zu ihrer sozialen Sonderstellung. Gleichzeitig spiegelt sich in der Figur des Künstlers, die zugleich Mensch und Schöpfer, Subjekt und Objekt, Außenseiter und Mitmensch ist, die widersprüchliche Qualität menschlicher Verfasstheit in gesteigerter Form: Der „Gilles“ von Antoine Watteau präsentiert sich als artifizieller Typus, als Rollenfigur, die sein menschliches Sein gerade in der Kostümierung umso deutlicher herausstellt. Und Picassos Artistenbilder der Rosa und der Blauen Periode können, wie auch Peukerts Welt theater-Bilder für das Gewandhaus hinter ihren Masken eine melancholische Ergebenheit in eine Welt ohne Illusionen nicht verbergen (Seite 36, 37).

    Sie alle sind Verwandte der Schauspielerporträts und auch des Figurenensembles, das so viele von Jost Heyders Bildern bespielt. Aber nicht nur in diesem symbolischen Sinn treffen wir in seinem OEuvre auf Schauplätze. Der Begriff Schauplatz gilt auch ganz greifbar für das gemalte Bild als solches, für die Leinwand und das Zeichenpapier, die selbst Schauplätze sind, nämlich jene Orte, an denen sich der künstlerisch-bildnerische Vorgang vollzieht, wo Welterleben und Weltaneignung vom Maler in der ihm eigenen Sprache mitgeteilt werden.

    Und schließlich - auch die Technik, die Malerei als künstlerische Gattung ist Schauplatz, Schauplatz der Kunst: Was Kunst sei und mit welchen Mitteln sie gemacht wird, darüber gibt es für uns Zeitgenossen keine verbindliche Vereinbarung mehr. Der Kunstbegriff der Gegenwart öffnet die Horizonte für jede Ausdrucksform und alle Medien. Bildende und darstellende Kunst fließen ineinander; die Methoden sind so vielfältig wie die Themen.

    Im Konzert dieser vielfachen Stimmen aber hat die Malerei nach wie vor ihren unangefochtenen Platz, denn wer wollte dem gemalten Bild auf der Staffelei oder an der Wand seine Position als zentraler künstlerischer Schauplatz streitig machen?

    Die Wahl des Begriffs SCHAUPLÄTZE als Vorzeichen für eine Ausstellung mit Bildern von Jost Heyder zielt bewusst auf die Mehrdeutigkeit des Wortes; nicht nur hinsichtlich der für Jost Heyder charakteristischen Motiv- und Themenwelt um Bühne, Theater und Zirkus, sondern auch im Blick auf die Funktion des gemalten Bildes selbst als Bühne, wo Kunst unter den
    Händen des Malers entsteht und vor die Augen des Betrachters hingestellt wird.

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